Displaced Persons

Cześć Dortmund

Etwa elf Millionen sogenannte „Displaced Persons“ (DPs) befanden sich am Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland. Die ersten Hilfsprogramme der Alliierten zielten darauf ab, die DPs in ihre Herkunftsländer zurückzuführen. Für viele war dies jedoch aus verschiedenen Gründen nicht möglich, mussten sie doch auch in ihren Herkunftsländern Verfolgung befürchten. So stellte beispielweise für jüdische DPs eine Rückkehr nach Osteuropa wegen antisemitischer Ressentiments und drohender Gewalt keine Option dar.

In Dortmund zogen 1951 schließlich 250 DP-Familien in die neu gebaute Siedlung an der Hessischen Straße. In der Zeit des Korea-Krieges errichtet, wurden die Häuser schnell als „Korea-Siedlung“ betitelt. Die Menschen kamen aus verschiedenen Regionen Ost- und Südosteuropas: Aus der Ukraine, Russland, Lettland, Estland und Jugoslawien, doch die Mehrheit (40%) kam aus Polen. Und so gab es in der Siedlung bald einen polnischen Lebensmittelladen, einen Frisör, eine Kneipe und auch Gottesdienste wurden in polnischer Sprache abgehalten. Das Zusammenleben in der Siedlung funktionierte gut, man half sich gegenseitig und teilte das Wenige, was man besaß. Ganz ohne Streit ging es natürlich auch nicht. Neben Nachbarschaftskonflikten kam es auch zu Streitigkeiten zwischen unterschiedlichen Nationalitäten.

Bis zur vierten Klasse wurde für polnischsprachige Kinder Unterricht in ihrer Muttersprache angeboten. Danach gingen sie in deutschsprachigen Unterricht. Für die Kinder war der Umgang mit den zwei Sprachen nicht ganz einfach: So waren sie angehalten, in der Siedlung polnisch zu sprechen – Deutsch war nicht gern gehört, war es doch die Sprache der Menschen, unter denen die Anwohner stark gelitten hatten. Auf dem Schulhof waren wiederum nur Unterhaltungen auf Deutsch erlaubt – das man da schonmal durcheinanderkommen konnte, ist allzu verständlich.

Die einheimische Bevölkerung stand den DPs alles andere als offen gegenüber. Man titulierte sie als „Polacken“, wollte sie eigentlich gar nicht in seiner Nähe haben. Kindern wurde der Umgang mit Mitschülern aus der Siedlung verboten. Eine Auseinandersetzung, warum die DPs überhaupt in Deutschland waren, dass sie nicht freiwillig hergekommen waren, fand in den ersten Jahren überhaupt nicht statt.

Dennoch wurde Dortmund nach und nach zur neuen, zweiten Heimat der DPs. Dazu trug auch der stetige soziale Austausch bei, der in der Siedlung stattfand. 1958 wurde eine polnische Tanzgruppe gegründet, in den folgenden Jahren durch ganz Europa reiste und ihr Können darbot. Das Reisen war jedoch als „heimatloser Ausländer“ gar nicht so einfach, musste man doch für den Besuch eines jeden Landes vorab ein Visum beantragen. Die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen kam für die meisten nicht in Frage. Einerseits waren mit der Einbürgerung extrem hohe Kosten verbunden, andererseits gab man die Hoffnung nicht auf, vielleicht doch noch eines Tages in die alte Heimat zurückkehren zu können. Erst, als Anfang der 1990er Jahre die Kosten für die Einbürgerung sanken, kam dieser Schritt für viele in Frage – verbunden jedoch mit vielen Zweifeln und Trauer über den Verlust dessen, was einen noch mit seinem Herkunftsort verband.

Ende der 1980er Jahre drohte dann der Verkauf der Siedlung an der Hessischen Straße. Viele Anwohner*innen befürchteten, nach dem Verkauf ihr zu Hause zu verlieren, ein zweites Mal vertrieben zu werden. Und so organisierte sich schnell Widerstand, unterstützt vom Mieterverein und dem Planerladen der Universität Dortmund. Gemeinsam zog man nach Bonn und protestierten vor dem Bundestag. Tatsächlich fanden die Mieter*innen Gehör und konnten Zugeständnisse erreichen. Bis heute hat ein Mieterrat Mitspracherecht bei der Neuvermietung von Wohnungen und Nachfahren der DPs werden bei Neuvermietung bevorzugt behandelt. Die Verbundenheit mit der Siedlung ist so groß, dass heut nicht selten auch die Kinder und Enkel der ehemaligen DPs an der Hessischen Straße wohnen.


Quellen:

Gespräch mit Danuta Jelinek (Zeitzeugin)

Stefanski, Valentina Maria: Die polnische Minderheit zwischen 1918 und 1939/45, in: Kift, Dagmar (Hg.): Polen – Ruhr: Zuwanderung zwischen 1871 und heute, Essen 2007

Peters-Schildgen, Susanne: Von Ost nach West. Migration ins Ruhrgebiet- Geschichte und Forschungslage, in: Kift, Dagmar (Hg.): Polen – Ruhr: Zuwanderung zwischen 1871 und heute, Essen 2007.

Displaced Persons, auf: https://www.hdg.de/lemo/kapitel/nachkriegsjahre/befreiung-und-besatzung/displaced-persons.html (abgerufen am 12.5.)

Peters-Schildgen, Susanne: Von Ost nach West: Migration ins Ruhrgebiet. Geschichte und Forschungslage, in: Kift, Dagmar; Osses, Dietmar (Hg.): Polen – Ruhr. Zuwanderung zwischen 1871 und heute, Essen 2007, S. 15-24.

Kift, Dagmar: Flüchtlinge, Vertriebene und Spätaussiedler 1945-1958, in: Kift, Dagmar und Dietmar Osses (Hg.): Polen – Ruhr. Zuwanderungen zwischen 1871 und heute, Essen 2007, S.57-65.

Kift, Dagmar (Hg.): Aufbau West. Neubeginn zwischen Vertreibung und Wirtschaftswunder, Essen 2005.

Kift, Dagmar: Aufnahme in Bergbau und Industrie. Zur Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen im Zuwanderungsland Nordrhein-Westfalen in vergleichender Perspektive, in: Kraus, Maria (Hg.): Integration. Vertriebene in den deutschen Ländern nach 1945, Göttingen 2011, S. 120 – 147.

Koehn, Hermann-Ulrich: Protestantismus und Öffentlichkeit im Dortmunder Raum 1942/43 – 1955/56, Berlin 2008.

Geschichtskreis Scharnhorst (Hg.): Scharnhorst – Gestern und heute, Dortmund 1998.

Benz, Wolfgang: Kriegsziele der Alliierten, in: Informationen zur politischen Bildung, Nr. 259. Online: https://www.bpb.de/izpb/10044/kriegsziele-der-alliierten (abgerufen am 29.5.2020).

https://en.wikipedia.org/wiki/Mutual_Security_Agency (abgerufen am 28.5.2020).