Türkei

Selam Dortmund

Im Jahr 1961 schlossen die Türkei und die Bundesrepublik ein Abkommen. Ziel war es, türkische Arbeitskräfte anzuwerben, um dem Arbeitskräftemangel in der Bundesrepublik entgegenzuwirken. Auch die Türkei profitierte von dem Abkommen, da hier nicht genügend Arbeitsplätze zur Verfügung standen. Am 30. Oktober 1961 wurde das Abkommen in der türkischen Botschaft in Bonn unterzeichnet.

Die türkischen Behörden eröffneten daraufhin in Istanbul eine Verbindungsstelle, über die deutsche Arbeitgeber*innen Gesuche aufgeben konnten. Primäre Zielgruppe der deutschen Unternehmen waren junge Männer ohne Ehefrau und Kinder. Ursprünglich sollten die angeworbenen Arbeiter nur für eine begrenzte Zeit in Deutschland bleiben, weshalb sich innerhalb der Bevölkerung der Begriff „Gastarbeiter“ schnell etablierte.

Der Mangel an Arbeitskräften in Deutschland und insbesondere in der Montanindustrie des Ruhrgebiets war unter anderem eine Folge der massenhaften Entvölkerung des 2. Weltkriegs. Darüber hinaus wollten im Zuge des Wirtschaftswunders nur noch wenige Einheimische die Schwerstarbeit im Bergbau und Stahlwerken verrichten.

1961 kamen dann zunächst einige hundert türkische Arbeiter nach Deutschland. Fünf Jahre später waren es schon 10.000. Die Gastarbeiter wurden in Unterkünften untergebracht, die keinen Raum für Privatsphäre ließen: In der Regel waren dies Mehrbettzimmer, die etwa 4 m2 pro Person pro Person boten. In der Realität wurde diese Größe jedoch mehrheitlich unterschritten. Darüber hinaus wurden oft Wucherpreise für die Behausungen verlangt.

1964 kamen 76 Jungen im Alter zwischen 13 und 15 Jahren ins Ruhrgebiet. Sie waren gezielt von Unternehmen angeworben worden und sollten auf den Zechen der Umgebung im Frühjahr 1965 ihre Ausbildungen beginnen. Im Laufe der Jahre wurden die jungen Männer Knappe, Techniker, Steiger und Ingenieure. Untergracht wurden die Jungen in „Pestalozzi-Dörfern“, die es unter anderem in Marten und Huckarde gab. Dort lebten sie in Gastfamilien – oft gemeinsam mit vielen Gastgeschwistern – bekamen Sprachunterricht und wurden gezielt gefördert. Schnell waren die Jungen in örtlichen Sport- und Musikvereinen aktiv und das anfängliche starke Heimweh rückte in den Hintergrund.

Im Jahr 1973 wurde schließlich ein Anwerbestopp erlassen, da die verhältnismäßig kurzfristigen Gewinne für deutsche Unternehmen zu hohe Sozialkosten für die Allgemeinheit verursachten. Bis ins Jahr 1979 durften sich dann auch Kinder und Ehegatten der bereits zugewanderten Arbeiter*innen in Deutschland niederlassen.

Seit Mitte 2014 ist die nordosttürkische Stadt Trabzon die Partnerstadt Dortmunds. Die Region um Trabzon war eine der am stärksten betroffenen der Türkei, als aufgrund hoher Arbeitslosigkeit seit den 60er Jahren viele Menschen ins Ruhrgebiet abwanderten.

Heute, nach dem Ende des Ruhrbergbaus und dem weitgehenden Verschwinden der Montanindustrie, sind die Gastarbeiter*innen der ersten Generationen Rentner*innen. Seitdem sind mehrere Generationen an Nachkommen in Deutschland zur Welt gekommen, die hier in Deutschland ihren Lebensmittelpunkt haben.


Quellen:

Tenfelde, Klaus: Schmelztiegel Ruhrgebiet? Polnische und türkische Arbeiter im Bergbau: Integration und Assimilation in der montanindustriellen Erwerbsgesellschaft, in: Mitteilungsblatt des Instituts für soziale Bewegungen, Heft 36, 2006.

Höhne, Jutta u. andere: Die Gastarbeiter. Geschichte und aktuelle soziale Lage, in: WSI Report 16, 9/2014.

Butterwegge, Carolin: Von der „Gastarbeiter“-Anwerbung zum Zuwanderungsgesetz, auf:
http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/dossier-migration-ALT/56377/migrationspolitik-in-der-brd?p=all (abgerufen am 30.10.2019)

Prevezanos, Klaudia: Stichwort: Deutsch-türkisches Anwerbeabkommen, auf:
https://www.dw.com/de/stichwort-deutsch-t%C3%BCrkisches-anwerbeabkommen/a-15469701 (abgerufen am 30.10.2019)

Art.: Gastarbeiter, auf: https://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltes-deutschland-modernisierung/bundesrepublik-im-wandel/gastarbeiter.html (abgerufen am 30.10.2019)

Art.: Projektpartnerschaft mit Trabzon, auf: https://www.dortmund.de/de/leben_in_dortmund/internationales/integrationsrat/projektpartnerschaft_mit_trabzon/index.html (abgerufen am 30.10.2019)

Art.: Städtepartnerschaft mit Trabzon besiegelt, auf: https://www.dortmund.de/de/leben_in_dortmund/internationales/staedtepartnerschaften/trabzon/index.html (abgerufen am 30.10.2019)

Art.: Migration und Integration in Dortmund, auf:
https://www.dortmund.de/de/leben_in_dortmund/internationales/integrationsrat/migrationintegrationindortmund/index.html (abgerufen am 30.10.2019)

„Am schlimmsten war der Abschied von unseren Eltern“ – Onkel Hasan und die Generation der Enkel, auf:
http://onkel-hasan.de/am-schlimmsten-war-der-abschied-von-unseren-eltern/ (abgerufen am 4.5.)

„Glückauf in Deutschland“, auf: https://vifdo.wordpress.com/glueckauf/ (abgerufen am 4.5.)